Montag, 14. Mai 2018

Geistergesänge.


In “Supergod”, einem meiner allerliebsten Comics von Warren Ellis, infizieren sich drei Astronauten bei einer Geheimmission im All mit einem Virus from Outer Space. Der entpuppt sich als ausserirdische Lebensform, die die Zurückgekehrten mittels einer Pilzkultur in ein dreiköpfiges Wesen zusammenformt, einen Alien-Gott, der seine - sexuelle Extase und Wahnsinn auslösenden Botschaften - zwischendurch auch gerne mal mittels Gesang oder musikalischen Klängen kommuniziert.

Solche “Geistergesänge” als mögliche Kommunikationsform faszinierten nicht nur Hollywood (man denke nur an Steven Spielbergs Close Encounters of the Third Kind), sondern auch euren Bloghost, der unter anderem auch aus diesem Grund sein Blog so benannt hat.


Musik aus dem Jenseits oder einer anderen Dimension - was spannenderes gibt es nicht für mich. So wie zum Beispiel die “Geisterchöre”, die der Italiener Marcello Bacci seinen alten Radioapparaten entlockt hat. Der inzwischen 91-jährige Experimentator wurde 1949 anlässlich einer Seance mit dem “Geisterstimmen-Virus” infiziert und hat bis vor einigen Jahren noch monatliche Sessions abgehalten, um seinen Kunden Kontakt zu ihren verstorbenen Angehörigen zu ermöglichen. “Kunden” ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn Bacci soll laut seriösen Aussagen vieler Zeugen niemals Geld für seine Vermittler-Tätigkeit genommen haben.

Marcello Bacci an seinem "Arbeitsgerät"(Photo von histoires-paranormales.fr)
Technisch blieb Bacci immer den alten Zeiten treu, frei nach dem Motto “Never change a running System” - die spektakulärsten Ergebnisse seiner Sitzungen wurden mit einem uralten Nordmende-Radio, einem Mikrofon und einem Kassettenrecorder produziert. Wir wissen natürlich, das weder die Existenz von “Geistern” oder Informationen über ein mögliches Leben nach dem Tod auch nur einigermaßen glaubhaft beweisbar sind; aber nur mal angenommen, der gute Herr Bacci hat nicht über unzählige Jahrzehnte aufwendige Fakes produziert - da fragt man sich natürlich schon, WER oder WAS da aus seinen Radioapparaten spricht. Oder singt.

In his experiments, Bacci tunes his radio to the short-wave band, in a frequency ranging between 7 and 9 MHz, in a zone clear from normal radio transmissions. After waiting for ten to twenty minutes the existing background noise disappears and a typical acoustic signal comes out of the loudspeaker, similar to an approaching wind vortex, repeated three or four times at short intervals. Silence then follows, at the end of which an invisible speaker starts to communicate by establishing with Bacci, or with the people attending the experiment, something like a dialogue.” ¹

Auf der wunderbaren 3-CD-Box “Okkulte Stimmen - Mediale Musik. Recordings of unseen Intelligences 1905-2007”, erschienen im deutschen supposé Verlag, befinden sich neben vielen anderen paranormalen Schätzen auch zwei kleine Ausschnitte der andersweltlichen Chormusik, die Bacci zusammen mit anderen Experimentatoren im Jahr 1980 aufgenommen hat.


Das legendäre Industrial-Duo Coil war ja immer vorne mit dabei, wenn es darum ging, Audiotechnologie als Vehikel für die “Anderswelt” zu benutzen (über Time Machines habe ich hier bereits geschrieben). Imitten der für die Band hochkreativen und turbulenten 1990er-Jahre wurden Peter Christopherson und Jhonn Balance bei diversen Sessions auf merkwürdige Fehler (“Glitches”) aufmerksam, die in gewisser Regelmässigkeit das Equipment heimsuchten. Und Coil wären natürlich nicht Coil gewesen, hätten die beiden originellen Künstler diesen Vorgang nicht sofort personalisiert; als “ELpH”, eine Mischform aus Maschine und Geistwesen:

During the studio sessions that developed into what would become ‘Worship the Glitch’, Coil became aware of random compositions emitting from their gear, and were at odds with constant ‘accidents’ that were perpetually plaguing the recordings. The band called these unintentional emissions ‘ELpH’: a conceptual being that is one part physical equipment, one part celestial being… constantly playing the role of trickster, throwing a wrench into Coil’s methodology. Eventually, these accidents and mistakes were embraced by the band, and the process of misusing audio software to create intentional ‘errors’ was adopted as a musical technique. The acceptance of the ‘mistake’, and the use of discovered mistakes as intentional elements slowly became the drive and concept behind the album, thus birthing the title ‘Worship the Glitch.’” ²


Für mich persönlich waren Coil ganz großartige, bewundernswerte Spitzbuben, die ganz genau wussten, wie man seine Hörer und Fans in die richtige Stimmung bringt - mit mysteriösen, selbst erfundenen urbanen Legenden. Die wirken immer: “Worship the Glitch” mag von einem Geist stammen oder nicht, die Musik erzeugt auf jeden Fall ein sehr seltsames, unwirkliches Gefühl - und das auch ganz ohne bunte Pillen und 4/20-Technologie (Ersteres würde ich bei Coil-Sessions sowieso nur erfahrenen Psychonauten empfehlen).

Hier der erste Track von "Worship the Glitch", das Werk wird am 25.05. 2018 auf Bandcamp neu releast.



***

¹ zitiert von http://atransc.org/pressi-bacci/

² zitiert von https://www.daisrecords.com/products/elph-vs-coil-worship-the-glitch-cd-lp

“Worship the Glitch” erschien 1995 unter dem Bandnamen ELpH vs Coil. Es sollte noch angemerkt werden, das bereits ein Jahr zuvor die EP “Born Again Pagans” unter dem Bandnamen Coil vs ELpH erschienen ist. Dazu gibt es keine überlieferten Erklärungen, auf dem Original-Release befinden sich dafür so wunderbar rätselhafte Anmerkungen wie: “Patent Pending 184” bzw. "Taken from the forthcoming double compilation CD 'The Sound of Music' (Threshold House Records - Due Spring 1995)" - ein Release, den es natürlich niemals gegeben hat.

2 Kommentare:

  1. 4/20-Technologie klingt sexy. Was ist das, in diesem Kontext?

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  2. hmmm, sowas z.b. :)
    https://www.paxvapor.com/de/

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